Pflanzenauswahl im Klimawandel
- MIYA
- 8. Juli
- 4 Min. Lesezeit
Was pflanzen, wenn es immer wärmer wird?
Wenn man von Berlin auf der Autobahn Richtung Stettin fährt, fährt man an vielen Kiefern vorbei. Die sind allerdings auf großen Teilen Brandenburgs gar nicht standorttypisch, sondern wurden gepflanzt um Flächen, die als Reparationszahlungen an die Sowjetunion gerodet wurden, schnell wieder aufzuforsten. Natürlich kommt die Kiefer auf rund 8% der Fläche Brandenburgs vor und dort überwiegend in Mischwäldern (Hofmann et al., 2006).
Die Rotbuche, die dominanteste Baumart in Deutschland, die auf den meisten Standorten in Deutschland Teil der potentiell natürlichen Vegetation ist, ist auf dem Weg nach Stettin auch zu finden. Viele der Rotbuchen sind an ihren verlichteten Kronen zu erkennen. Verlichtung heißt, dass ihre Kronen weniger Blätter als gewöhnlich tragen. Grund dafür sind die Dürren und der damit verbundene Trockenstress, der Bäumen und Wäldern in ganz Deutschland, im besonderen Maße aber in Brandenburg zugesetzt hat.
Wenn nun aber die dominanteste Baumart immer mehr unter den Folgen des Klimawandels leidet und ihre Kronen verliert, welche Baumart sollte denn dann in Zukunft gepflanzt werden?
Eine Frage, die auch wir uns stellen müssen. Die Miyawaki-Methode, nach der wir pflanzen, basiert auf der potentiell natürlichen Vegetation und das heißt, dass wir oft auch Rotbuchen in unseren Projekten pflanzen. Aber macht das überhaupt noch Sinn?
Eine Studie der Forstlichen Versuchsanstalt Baden-Württemberg (FVA BW) hat sich mit genau dieser Frage befasst und hat die Entwicklung der natürlichen Vegetation in verschiedenen Klimamodellen simuliert (Hinze et al., 2023). Ergebnis: Wenn der Klimawandel weiter voranschreitet wie bisher, ein Szenario, was nicht mehr unwahrscheinlich ist, finden sich in Deutschland im Jahr 2070 Vegetationskomplexe wieder, wie sie zurzeit nur im mediterranen Raum zu finden sind. Natürlich nur in der Theorie. In der Praxis bräuchten die Samen mediterrane Pflanzen Jahrhunderte, um ihren Weg auf natürlichem Wege zu uns zu finden. Als Schlussfolgerung daraus sollten nicht heimische Baumarten beim klimaadaptiven Waldumbau schon jetzt Beachtung finden (ibid.).

Wenn wir pflanzen, verlangen wir von unseren Projektpartnern, dass die Tiny Forests für mindestens dreißig Jahre ungestört bleiben, lieber länger. Sollten wir also jetzt schon anfangen, nur noch mediterrane Hartlaub- Tiny Forests zu pflanzen?
So einfach ist es leider nicht. Denn Bäume, die in 50 Jahren hervorragend mit prognostizierter Trockenheit klarkommen, müssen heute noch mit Winter- und Spätfrösten zurechtkommen. Viele mediterrane Arten weisen keine gute Winterhärte auf und würden die kommenden Winter nach der Pflanzung nicht überleben.
Die Klimaartenmatrix bietet einen guten Überblick darüber, welche Baumarten besonders winterhart, welche besonders trockenheitsresistent und welche sowohl winterhart als auch trockenheitstolerant sind (Roloff et al., 2008).
Dazu kommt, dass heimische Baumarten, die in der Klimaartenmatrix bei Dürre nicht sehr gut abschneiden, sich an Trockenheit gewöhnen und im gewissen Rahmen anpassen können. Das trifft im überwiegenden Teil aber nur auf Jungpflanzen zu. Heißt, auch wenn alte Rotbuchen in Brandenburg zu kämpfen haben, können ihre jungen Nachkommen sich durchaus auf Trockenstress einstellen (Roloff, 2017). Das bestätigt auch unsere Vorgehensweise, die Bäumchen unserer Tiny Forests so jung wie möglich zu verpflanzen. Dann können sie sich am besten an ihren Standort anpassen und sind am resilientesten gegenüber Störungen und Stressfaktoren.
Eine weitere Hilfestellung bei der Auswahl der Baumarten in Städten bietet die Straßenbaumliste der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz. Allerdings ist sie im Kontext der Miyawaki-Methode differenziert zu betrachten. Sie beschreibt ausschließlich Einzelbäume, als Hochstämme verpflanzt, oder Kübelpflanzen (Deutsche Gartenamtsleiterkonferenz, 2025). Was die Bodencharakteristika wie Verdichtung, Wasserhaltekapazität oder Nährstoffreichtum angeht, haben solche Bäume es bedeutend schwerer als jene in unseren Tiny Forests, da wir an allen Standorten den Boden bearbeiten. Das verdeutlicht, dass die Art und Weise wie wir unsere Böden in städtischen und ländlichen Gebieten behandeln eine ähnliche Rolle wie der Klimawandel spielen kann.
Als letzte Richtlinie zur Baumarteneignung im Klimawandel hat die FVA BW Artensteckbriefe herausgebracht (Avila et al., 2021). Im Kontrast zu Hinze et al. (2023) attestieren Avila et al. (2021) der Rotbuche ein hohes Potential, egal ob Ökosystemdienstleistungen oder Risikovermeidung im Fokus liegen. Konträre Aussagen aus ein und dem selbem Forschungsinstitut machen deutlich, dass der Klimawandel ein komplexes Thema ist, wo viele Fragen unbeantwortet bleiben.
Ein Weg mit Ungewissheit umzugehen ist, auf möglichst viele Baumarten zu setzen. Getrost dem Motto: irgendwas wird schon wachsen. Mit durchschnittlich fünfundzwanzig Arten pro Standort sind wir optimistisch, dass unsere Tiny Forests auf absehbare Zeit gedeihen werden. Bestätigt wird diese Aussage davon, dass wir in unseren Projekten immer rund 30% Arten gepflanzt haben, die nach den Listen der Gartenamtsleiterkonferenz, der Klimaartenmatrix oder der FVA BW als sehr geeignet oder geeignet gelten. Dabei haben wir nie explizit auf Klimaarten geachtet, sondern uns lediglich an der pnV orientiert. Das wiederum zeigt, dass auch die potentiell natürliche Vegetation in Deutschland durchaus zukunftsfähig sind.
Ob wir diese Aussage in hundert Jahren revidieren müssen? Vielleicht. Sollen unsere Kinder in hundert Jahren im Schatten einer Eiche picknicken, müssen wir sie heute pflanzen, ohne dass wir wissen können, wie die Welt in 100 Jahren aussieht. Das ist das Spannende und das Schwierige bei der Arbeit mit Wäldern. Wir geben unser Bestes unsere Arbeit so zukunftssicher wie möglich zu gestalten und wir sind überzeugt davon, dass die Natur immer einen Weg finden wird.
Ein Artikel von Caspar Möller
Quellen:
Avila, A. L. de, Häring, B., Rheinbay, B., Brüchert, F., Hirsch, M., & Albrecht, A. (with Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg). (2021). Artensteckbriefe 2.0: Alternative Baumarten im Klimawandel: eine Stoffsammlung (2. Auflage). Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg.
Deutsche Gartenamtsleiterkonferenz (Hrsg.). (2025, Juni 23). GALK-Straßenbaumliste—Abfrage vom 23.06.2025—Arbeitskreis Stadtbäume. https://galk.de/arbeitskreise/stadtbaeume/themenuebersicht/strassenbaumliste/galk-strassenbaumliste/
Hinze, J., Albrecht, A., & Michiels, H.-G. (2023). Climate-Adapted Potential Vegetation—A European Multiclass Model Estimating the Future Potential of Natural Vegetation. Forests, 14(2), 239. https://doi.org/10.3390/f14020239
Hofmann, G., Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg, & Pommer, U. (with Landesforstanstalt Eberswalde). (2006). Potentielle Natürliche Vegetation von Brandenburg und Berlin: Mit Karte im Maßstab 1: 200 000.
Roloff, A. (2017). Der Charakter unserer Bäume: Ihre Eigenschaften und Besonderheiten. Verlag Eugen Ulmer.
Roloff, A., Bonn, S., & Gillner, S. (2008). Klimawandel und Baumartenwahl in der Stadt – Entscheidungsfindung mit der Klima-Arten-Matrix (KLAM). https://frankfurt.de/-/media/ece3cfdc0d1848628b321854282ed5d9.ashx
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